Europäisches Weißbuch zur Sicherheitspolitik
Von Peter E. Uhde
Zur 4. Sicherheitspolitischen Konferenz, veranstaltet von der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW), ihrem französischen Partner Civisme Defense Armée Nation (CIDAN), dem EUROKORPS und der Konrad-Adenauer-Stiftung, hatten sich fast 200 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Tschechien, der Schweiz und Griechenland eingefunden. Veranstaltungsort war das Quartier de Vincelles in Strasbourg. Wolfgang Kopp, Landesvorsitzender der GfW in Baden-Württemberg begrüßte die Gäste. Vertreter aus Industrie, Wirtschaft, Verwaltung, aktive und ehemalige Soldaten sowie zahlreiche Verbände aus Frankreich und Deutschland wollten sich über „Zukünftige Aspekte Europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ informieren. Unter diesem traditionellen Veranstaltungsmotto ging es diesmal um den Sachverhalt des Strategischen Umdenkens in den USA und der Frage, ob Europa mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen kann und daraus ableitend, ob dies besonders in Afrika möglich wäre.
Gleiche Rechte und Pflichten für die Nationen
Generalmajor Walter Spindler, seit neun Monaten stellvertretender Kommandeur des Eurokorps, blickte auf die Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft und des Eurokorps. Deutsche, französische, belgische, spanische und luxemburgische Soldaten bilden beim Eurokorps die Rahmennationen. Polnische Soldaten erhalten im Sommer personelle Verstärkung und zukünftig kommen türkische, griechische, italienische und rumänische hinzu. Seit der Meldung der Einsatzbereitschaft 1995 waren Soldaten des Korps in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und Afghanistan im Einsatz. Es gibt Überlegungen, einen Anteil an Luftwaffen- und Marinesoldaten zu integrieren, um deren spezielle Fachkenntnisse im Stab präsent zu haben.
vlnr. CiDAN-Präsident Jacques Sonnet, General Spindler, Stv. Befehlshaber Eurokorps, Brigadegeneral a.D. Wolfgang Kopp, GfW-Landesvorsitzender V und Initiator des Kongresses
Der Schlüssel zum Frieden liegt in Pakistan
General Spindler fasste zusammen, was durch das zivile und militärische Engagement der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan erreicht wurde. Damit die Menschen dort in Sicherheit und Frieden leben können. Er verwies darauf, dass die Anzahl der Anschläge zurückgegangen sei. Die Infrastruktur, eine notwendige Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung, wurde verbessert. Die Anzahl der Lehrer und Schüler wurde erhöht. Eine deutliche Verbesserung gibt es in der Gesundheitsversorgung. Frauen sind viel stärker in verantwortlichen Positionen als noch vor zehn Jahren. Die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte wurde deutlich verstärkt. Sie können Operationen gegen terroristische Aufstände selbst durchführen.
Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, in wieweit Afghanistan seine Sicherheit selbst bestimmen kann. Der Kampf gegen Korruption, Kriminalität und den Drogenanbau und -handel müssen weiter intensiviert werden. Dazu benötigt man vor allem eine glaubwürdige Regierung. 2014 findet die nächste Präsidentenwahl statt. Insbesondere der Jugend muss eine Perspektive geboten werden, denn von den 30 Millionen Einwohnern Afghanistans ist die Hälfte unter 18 Jahren. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch und der 300 - 400 US-Dollar Sold der Taliban ein gefährliches Lockmittel. Afghanistan wird daher auch in Zukunft auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen sein, um wirtschaftlich stabiler zu werden.
Volles Haus beim 4. Straßburger Kongress
Perspektiven einer deutschen Sicherheitspolitik
Roderich Kiesewetter, Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB), befasste sich in seinem Beitrag mit der nationalen deutschen Sicherheitspolitik. Der Oberst a.D. und Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr stellte dazu elf Thesen zur Diskussion. Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam sicherheitspolitisch stark bleiben. Nur mit wirtschaftlicher Stabilität ist eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik möglich. Alle Anstrengungen Europas müssen darauf zielen, das Atlantische Bündnis zu stärken. Es gilt eine strategische Diskussion darüber zu führen, was mit zivilen und militärischen Missionen geleistet werden kann und wozu man willens ist. Die Europäische Union muss über bestimmte operative Fähigkeiten verfügen. An einer Vertiefung der militärischen Integration sollten sich alle EU Nationen beteiligen. Die rüstungstechnischen Fähigkeiten müssen erhalten bleiben, denn Rüstungsindustrie bedeutet Souveränität. Die Zeit der „Abrüstungsdividende“ sei vorüber, meinte der MdB. Über Art und Weise des Parlamentsvorbehaltes für Einsätze der Bundeswehr müsse nachgedacht werden. Seine Forderung lautet ressortübergreifendes sicherheitspolitisches Denken. In der Diskussion fiel das Stichwort USA, das dann zum nächsten Referenten überleitete.
Strategische Ausrichtung der USA
Wie werden sich die USA sicherheitspolitisch positionieren? Haben sich die Amerikaner von Europa ab- und dem asiatisch-pazifischen Raum zugewendet, wie es in den letzten Monaten immer wieder in den Medien geschrieben und diskutiert wird? Für den Referenten Dustin Dehéz ist das vor allem ökonomischen Erfordernissen geschuldet. Das strategische Konzept der NATO von 2010 hatte zwar große Pläne, man ist ihnen aber nicht näher gekommen. Eine ernsthafte Diskussion über Kosten ist zu führen. Momentan tragen die USA rund 72 Prozent der NATO, alle anderen zusammen den Rest. Den Einsatz der deutschen Patriot-Flugabwehrraketen an der türkischen Grenze zu Syrien und die Unterstützung der Franzosen in Mali beurteilt Dehéz als Kompensation für das Nein beim Kampf gegen den libyschen Diktator Gaddafi, das Deutschland politisch schwer geschadet habe. Klar ist aber auch, dass militärische Interventionen bestenfalls die Ausgangslage für politische Entscheidungsprozesse und nicht die Problemlösung darstellten. In Syrien hätte die internationale Gemeinschaft früher eingreifen sollen. Je länger ein Bürgerkrieg dauert, umso schwieriger werde die Einigung der divergierenden Parteien. Der Wandel in der arabischen Welt läge durchaus im westlichen Interesse, wenn dadurch stabile, demokratische Verhältnisse geschaffen werden. Auch die USA haben erkannt, dass Afrika ein strategischer Raum ist. Eine amerikanische Strategie sei allerdings nicht zu erkennen.
Reger Gedankenaustausch in den Veranstaltungspausen
Operation Serval
Emmanuel Dupuy ging aus französischer Sicht auf die Lage in Mali und den Bereich der Sahelzone ein. Skeptisch meinte er, dass Mali noch zum Sargnagel der EU werden könnte. Die EU habe zu spät auf die Problemzone reagiert, das ist u.a. daran zu erkennen, dass sie erst jetzt einen Vertreter dafür ernannt hat. Terrorismus und Drogenhandel sind die Hauptgefahrenquellen. Geschätzte acht Millionen Kleinwaffen sollen in der Sahelzone im Umlauf sein. Etwa 4.000 Franzosen sind momentan in Mali im Einsatz. Die malischen Streitkräfte sind keine Armee im eigentlichen Sinne, sondern bestehen aus verschiedenen Gruppierungen. Nach drei Monaten, gerechnet ab dem 11. Januar, muss die Regierung die Zustimmung zum Militäreinsatz von der Nationalversammlung einholen. Die USA befürchten Verquickungen und halten sich daher zurück. Für den 31. Juli sind Wahlen vorgesehen, wie das zu bewerkstelligen ist, bleibt offen. Um besser gegen Krisen und Konflikte gewappnet zu sein, forderte Dupuy die Erarbeitung eines „Europäischen Weißbuches“.
Nach einem Bericht von General (2S) Yves Béraud über Ergebnisse des Kolloquiums in Klingenthal von Dezember 2012 schloss CiDAN-Präsident Jacques Sonnet mit seinem Dank an Referenten und Organisatoren eine inhaltsreiche Veranstaltung.
Alle Fotos: Eurokorps