Sicherheitspolitischer Vortragsabend
zum Thema
Die letzten Wochen der DDR
aus Sicht eines ehemaligen Politbüromitglieds
Referent:
Günter Schabowski
Letzter Regierungssprecher des Zentralkomitees der DDR
am Dienstag, den 26. Oktober 2010, 19.00 Uhr
in der Aula des Peutinger Gymnasiums in 73479 Ellwangen
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Pressebericht zur Veranstaltung
erschienen in:
Der Windhauch der Geschichte
Günther Schabowski, letzter Sprecher des SED-Zentralkomitees,
zeichnete im PG den Fall der Mauer nach
Aus der Perspektive eines Politbüromitglieds zeichnete der 81-jährige Günther Schabowski das Ende der DDR vor 20 Jahren nach. Zu seinem Vortrag kamen in das Peutinger Gymnasium mehrere hundert Zuhörer. Das dicht bestuhlte Forum war fast bis auf den letzten Platz besetzt.
GERHARD KÖNIGER
Ellwangen. Bei diesem Vortrag im Peutinger Gymnasium spürte man ihn, den Windhauch der Geschichte: Günther Schabowski war eine der agierenden Figuren beim Fall des eisernen Vorhangs und der gelernte Journalist fesselte mit spannenden Details jener turbulenten Wochen im Herbst 1989 die Zuhörer.
Günther Schabowski
sprach im Peutinger Gymnasium über das Ende der DDR
(Foto: Franz Rathgeb)
Gerhard Ziegelbauer von der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik und Frank Deinhart vom Reservistenverband Ostwürttemberg, die den Vortrag mit dem Peutinger Gymnasium zusammen veranstalteten, geleiteten den nach langer Krankheit noch recht schwach wirkenden Redner auf die Bühne.
Der Schulleiter Dr. Hermann Rieger zeigte eingangs auf der Leinwand einen Ausschnitt jener denkwürdigen Pressekonferenz, als Schabowski am 9. November „versehentlich“ den Fall der Berliner Mauer verkündete. Wie es zum „schönsten Fehler der deutschen Geschichte“ kam, schilderte Schabowski selbst.
Die Öffnung der ungarischen Grenze am 2. Mai 1989, von der Sowjetunion tatenlos hingenommen, habe den Mitgliedern des Politbüros verdeutlicht, dass der starke Arm der UDSSR nicht mehr schützend über der Deutschen Demokratischen Republik lag. Es reifte der Gedanke, dass die DDR nur noch mit Hilfe Westdeutschlands zu halten sei und Schabowski arbeitete mit anderen auf die Absetzung Honneckers hin.
Bis zu Details wie dem „festen Händedruck“ schilderte Schabowski jene entscheidende Sitzung, bei der Honnecker der eigenen Entmachtung zustimmte. „Die SED war wie ein Orden und Honnecker wollte mit seinem Abstimmungsverhalten zeigen, dass er diesem Orden weiter zugehören wird“.
Den Druck der Straße konnte
jedoch die Abwahl Honneckers nicht mindern. Die Menschen forderten
Freiheit insbesondere die Reisefreiheit und die Entscheidungsträger
der DDR wurden immer mehr zu Gejagten des Volkswillens.
Als selbst die Ankündigung eines „Ausreisevisums für alle ab
Weihnachten“ keinen Stimmungswandel bewirkte, kam es zu jener
berühmten Bekanntgabe vor den versammelten Journalisten, eine Ausreise
werde nun „ohne Vorlage von Voraussetzungen“ möglich. „Kraft meiner
Wassersuppe habe ich auf die Anfrage eines Korrespondenten erklärt,
das trete unverzüglich in Kraft“, sagte der Redner dazu.
Freigegeben war die Nachricht aber erst ab 10. November frühmorgens und so kam es durch Schabowskis Fehler noch am Abend zu den bekannten Szenen an den Berliner Grenzübergängen. Die nicht eingeweihten Wachpolizisten standen plötzlich zehntausenden Menschen gegenüber, die in den Westen wollten... und ließen sie durch.
„Das war das Ende des DDR-Regimes“, sagte Schabowski und dieses Ende sei schon lange vorher politisch und wirtschaftlich besiegelt gewesen. Jene Pressekonferenz zeige lediglich, „dass auch Irrtümer zur historischen Wahrheit führen können“.
Umfassend antwortete Schabowski danach auf Fragen der Zuhörer. Mehrfach wollten die Ellwanger wissen, ob in Regierungskreisen nie ein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten erwogen wurde.
„Gewalt war kein Thema“, sagte
Schabowski. Das Politbüro habe stets versucht zu beschwichtigen. Jedem
sei klar gewesen, dass gewaltsame Konfrontation die Lage nur noch
zuspitzen würde. Zur Abwicklung der DDR-Wirtschaft nach der Wende
meinte Schabowski: „Das war der schwierigste Teil der
Wiedervereinigung und der wurde meines Erachtens ganz gut gelöst“. Mit
den „Jammerern der Gegenwart“ zeigte er sich nicht einverstanden.
„Einige von denen müsste man noch mal in die DDR stecken, dann wüssten
sie das Deutschland der Gegenwart vielleicht zu schätzen“.