Vortragsabend
zum Thema
Der
Einsatz in Afghanistan -
ISAF - Erfahrungen eines PRT- Kdr in
Afghanistan
Referent:
Oberst i.G. Fritz Urbach
Chef des Stabes 10. PzDiv
am Dienstag, 05.
April 2011, 19.30 Uhr
im Offizierheim
Graf Stauffenbergkaserne Sigmaringen
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Sektionseigener Bericht
Ernüchternde Analyse nach zehn Jahren Afghanistaneinsatz
Sigmaringen - Im kommenden Dezember sind es zehn Jahre her, dass der Deutsche Bundestag beschlossen hat, Bundeswehrsoldaten in Afghanistan einzusetzen. Grund war die Zerschlagung der Terrororganisation Al Qaida, die unter dem Schutzmantel des Talibanregimes in Afghanistan ein weltweit operierendes Terrornetz aufbaute und unter anderem für die Angriffe vom 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten mit nahezu 3000 Toten verantwortlich ist. Seither sind tausende deutscher Soldaten in Afghanistan eingesetzt gewesen, 48 sind dabei getötet worden, davon 30 in kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die 10. Panzerdivision, mit ihren in Baden-Württemberg und Bayern stationierten Truppenteilen, trug seit März 2010 die Hauptlast des aktuellen Einsatzes. Der Chef des Stabes der Division, Oberst im Generalstabsdienst Fritz Urbach, hat vor rund 100 Zuhörern der Sigmaringer Sektion der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik von seinen Einsatzerfahrungen als Kommandeur des Wiederaufbauteams in Feyzabad in der Provinz Badakhshan im Nordosten von Afghanistan berichtet. Seine Eindrücke und Bewertungen machen nachdenklich und lassen einen stabilen, in die Zukunft gerichteten Erfolg vermissen.
Schlechte Voraussetzungen für einen baldigen Erfolg
Die Provinz Badakhshan, mit gemeinsamen Grenzen zu Tadschikistan, China und Pakistan, hat eine vergleichbare Größe wie Niedersachsen, beherbergt etwa 1,2 Millionen Einwohner und verzeichnet eine Wirtschaftskraft, die gerade einmal zur Selbstversorgung der Bevölkerung ausreicht. Extreme Gelände- und Witterungsverhältnisse erklären die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur und lassen auch die Aktivitäten der Bundeswehr in nur etwa der Hälfte der Provinz zu. Organisierte Kriminalität, Waffen- und Drogenschmuggel, religiöse Gegensätze unterschiedlicher muslimischer Glaubensrichtungen sowie ethnische Unterschiede, aufständische Taliban, welche die Provinz als Rückzugsgebiet nutzen und traditionelle Strukturen, die den neuen staatlichen Organisationen gegenüberstehen, erklären das labile Gleichgewicht und die zunehmende Anzahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle in der Bevölkerung.
Zwiespältiges Ergebnis zum zehnjährigen Einsatz
Trotz dieser wenig förderlichen Voraussetzungen haben die letzten zehn Jahre in Teilbereichen sichtbare Erfolge gezeitigt. Der Schulausbau, bei 75 % Analphabeten eine Zukunftsinvestition und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowie mit Einschränkungen der Verkehrsinfrastruktur und der Energieversorgung geben der bisherigen Arbeit der Organisationen vor Ort, einschließlich der Bundeswehr, einen Sinn. Allein 2010 listen Soldaten und zivile Mitarbeiter von Regierungs- und Hilfsorganisationen 47 Einzelprojekte auf, an denen gearbeitet wurde.
Interessiertes Publikum
Dennoch ist die eigentliche Zielsetzung des Einsatzes der Bundeswehr und der anderen Unterstützer bei weitem nicht erreicht. Sicherheit und Regierungsfähigkeit als Voraussetzung zur Übergabe der Verantwortung an die Afghanen sind bis heute nur unzureichend entwickelt. Regionale afghanische Sicherheitsorganisationen blockieren sich durch gegenseitiges Misstrauen, die afghanische Armee ist wegen geringer Präsenz in der Fläche kein wirksamer Stabilitätsfaktor und die afghanische Polizei hat wegen Versäumnisse in der Vergangenheit bei der Ausbildung nicht nur ein geringes Ansehen in der Bevölkerung sondern auch große Lücken in der Wahrnehmung von einfachen Grundaufgaben. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Neuorganisation der Bundeswehr im Einsatz nahezu die Hälfte der Soldaten aus der Provinz zum Aufbau des Einsatzbataillons in Kunduz abgezogen wurde. Die verbleibenden 282 Soldaten können nur noch einen Nahbereichsschutz in der Region um die Provinzhauptstadt Feyzabad gewährleisten. Will man an den Zielen der UN Resolution aus dem Jahre 2001 festhalten, dann sind die Erwartungen der Politik an einen im Jahre 2011 beginnenden Abzug zumindest in der Provinz Badakhshan nicht zu rechtfertigen.
Peter Wotzniak