„Die fast vergessene Mission”
Sigmaringen - Der Kurzkrieg
zwischen Russland und Georgien im August hat wieder einmal in
Erinnerung gerufen, dass am südöstlichen Ende Europas, im Kaukasus,
eine der großen Konfliktregionen, die aus dem Zusammenbruch der
Sowjetunion entstanden sind, immer noch auf Lösungen wartet. Dass
dabei auch Soldaten der Bundeswehr tangiert worden waren, hat die
allgemeine Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen.
UNOMIG – das älteste deutsche
UN-Mandat
Oberstarzt Dr. Frank Penndorf,
Divisionsarzt im Stab der 10. Panzerdivision, kennt wie kein anderer
diese Gegend, ihre Menschen und die Spannungen, das Flüchtlingselend
sowie die wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung dieser
Landbrücke zwischen Europa und Asien. Bereits viermal hat er als
ranghöchster Sanitätsoffizier und Militärbeobachter der Vereinten
Nationen in Georgien Dienst geleistet und war Teil einer Gruppe von
zwölf Offizieren und Unteroffizieren, die seit 1994 am bislang
längsten UN Einsatz der Bundesrepublik Deutschland teilgenommen haben.
In einem eindrucksvollen
Vortrag vor der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik und den
Sigmaringer Reservisten hat er neben der Darstellung der durch die
Politik vorgegebenen Aufgaben insbesondere von seinen persönlichen
Eindrücken berichtet.
Als unbewaffnete
Militärbeobachter, bewacht durch russische Friedenstruppen, überwachen
die 132 Soldaten aus 28 Nationen beiderseits der
Waffenstillstandslinien zwischen den abtrünnigen Provinzen Abchasien
und Südossetien und Georgien die Einhaltung der
Waffenstillstandsvereinbarungen, insbesondere das Verbot zur
Stationierung schwerer Waffen. Durch ständigen Kontakt zu allen
Konfliktparteien tragen sie zur Wiederherstellung von Sicherheit und
Ordnung bei und nehmen Einfluss auf Rückkehrmöglichkeiten von
Vertriebenen.
Für den deutschen Anteil ist
zudem die ärztliche Versorgung aller Mandatsteilnehmer aus allen
Nationen und die Unterstützung der Zivilbevölkerung in Rahmen freier
Kapazität vorgegeben.
Die Schilderung von
Einzelbeispielen gerade aus diesem Aufgabenbereich ließ erahnen, von
welcher Brutalität, krimineller Vorgehensweise und übersteigertem
nationalistischen Hass der Umgang der unterschiedlichen ethnischen
Gruppen gekennzeichnet ist.
Krieg schafft neue Probleme
Der Fünf-Tage-Krieg mit
Russland im August hat für Georgien verheerende Folgen gebracht. Die
Armee ist aufgerieben, über 16 000 neue georgische Flüchtlinge aus den
umkämpften Gebieten hat das UN Flüchtlingskommissariat allein im Raum
Tiflis registriert, kriminelle Übergriffe auf die Zivilbevölkerung und
die völkerrechtliche Anerkennung der beiden abtrünnigen Provinzen
Abchasien und Südossetien durch Russland sowie der gegenseitige
Vorwurf der Kriegsschuld haben die Spannungen in der Region zusätzlich
angeheizt. Insofern hat dieser Krieg die begrenzte Einflussnahme der
Staatengemeinschaft auf eine Befriedung zunichte gemacht. Die UN, die
OSZE und die EU sind aufgefordert, zusammen mit den Kriegsparteien
neue Ansätze der Unterstützung und Überwachung auszuhandeln. Neben dem
millionenschweren Wiederaufbau der georgischen Infrastruktur und der
Milderung der Flüchtlingsprobleme ist diese internationale Aufgabe
vorrangig. Dem Prinzip Hoffnung scheint derzeit mehr Aufmerksamkeit
zuzukommen als einer realistischen Zukunftsperspektive.

Dr. Penndorf
beim Vortrag

Auditorium
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